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Bringsel

Verfasst: 4. Jul 2011, 13:37
von Naddel
Arbeitet einer eurer Rettungshunde mit einem Bringsel?

Wenn ja,wie habt ihr es aufgebaut?

Re: Bringsel

Verfasst: 4. Jul 2011, 21:12
von Katrin85
Wir haben einen in der Staffel, der allerdings vom Verbeller umgestellt wurde. Das Suchen von Menschen hat der schon beherrscht.

Aufbau in Kürze:
1. HF trainiert die Anzeige (bei uns: Anspringen mit Bringsel im Maul)
2. Hd holt das Bringsel (liegt irgendwo sichtbar) und zeigt dann beim HF an
erst dann Training mit dem Helfer:
3. Helfer steht sichtbar für Hd und HF, lobt mit Leckerli fürs Kommen, gibt dem Hd dann das Bringsel ins Maul --> Anzeige beim HF (evtl. mit Kommando begleiten)
4. Bringsel liegt AUF dem Helfer, dieser gibt evtl was fürs Kommen, dann Handzeichen/Kommando, Hd nimmt das Bringsel und Anzeige beim HF
5. Siehe 4. allerdings hat Hd nun zusätzlich ein zweites Bringsel am Halsband (die Anzeige hiermit trainiert HF wieder separat), Hd nimmt also entweder das Bringsel vom Helfer oder "seines" am Halsband zur Anzeige
6. Bringsel am Helfer langsam weglassen, nur noch Bringsel am Halsband

Das hört sich jetzt recht easy an, die Wahrheit ist aber dass die einzelnen Schritte wirklich endlos lang trainiert werden, immer wieder, immer wieder nur die Anzeige bis das Ganze richtig sitzt und der Hund den Ablauf im Schlaf kennt. Der Übergang zum nächsten Schritt erfolgt tatsächlich erst dann wenn die vorherigen in Perfektion beherrscht werden. Ich fands wahnsinnig langwierig und schleppend, aber als Ergebnis haben wir jetzt nen absolut zuverlässigen einsatzfähigen Hund.

Das Rückführen hab ich jetzt ausgelassen, das gehört natürlich dazu sobald der Helfer ins Spiel kommt.

Re: Bringsel

Verfasst: 4. Jul 2011, 21:41
von Naddel
Danke für die schnelle Antwort. :)

Das hört sich wirklich ziemlich langwierig und lernintensiv an.

Re: Bringsel

Verfasst: 5. Jul 2011, 19:06
von Katrin85
ich bin heilfroh über meine verbeller :wink:

Re: Bringsel

Verfasst: 5. Jul 2011, 19:29
von Nana
Wir haben mehrere Bringsler in der Staffel, unter anderem führe ich selbst einen.

Grundlage für das Bringseln ist das saubere Apportieren. Ein Anspringen mit Bringsel im Fang gibt es bei uns nicht- das empfinde ich als Hundeführer als eher lästig und unangenehm. Abgesehen davon ist mein Bringsler ein 30kg-Rüde :roll: . Das hält aber jeder, wie er möchte. Ich lege wert auf ein "Übergabe-Ritual"- der Hund muss mir das Bringsel in die Hand legen. Alternativ wäre z.B. auch ein Vorsitz möglich, aber wie gesagt: Das ist zum einen Geschmackssache und sollte zum anderen auch den Vorlieben des Hundes entgegen kommen.
Wir bauen das Bringseln so auf:
Der Hund (Voraussetzung: er apportiert bereits) wird "angereizt", der Helfer läuft mit dem Bringsel weg. Der Hund wird hinterher geschickt und bringt das Bringsel zum HF zurück. Das wird immer und immer wieder wiederholt- in verschiedenen Geländeformen, in langsam größer werdenen Distanzen.
Sitzt das, geht es erstmal weiter wie beim Verbeller, d.h. das Anreizen wird abgebaut.
Außerdem erhält der Hund das Bringsel zunächst aus der Hand der Helfers, was auch schrittweise verändert wird, so dass der Hund später in der Lage ist, das Bringsel an verschiedenen Positionen rund um´s Opfer vom Boden aufzunehmen.
Das Zurückführen zum Helfer nach der Anzeige fangen wir erst etwas später im Verlauf der Ausbildung an- das haben die Hunde aber schnell "drauf". Die ersten Male bekommen sie einen Unterstützung vom Helfer (z.B. Rufen), das wird aber schnell überflüssig. Ich fördere gerne ein sehr drangvolles Zurückführen :wink: - damit der Hund bei evtl. auftauchenden Problemen nicht so schnell aufgibt.
Erst wenn die Aufgaben zu 110% sitzen, lernt der Hund die Aufnahme des Bringels vom Halsband- das haben die meisten aber auch rasend schnell verstanden.

Vielleicht noch wichtig zu erwähnen: Wir arbeiten immer mit zwei Bringseln: Eins am Hund, eins am Helfer. Auch am Anfang schon- der Hund soll allerdings das Bringsel vom Helfer aufnehmen. Der Grund ist, dass das Anschnallen des Bringsels zum einen zum festen "Such-Ritual" gehören soll (wie z.B. das Anlegen der Kenndecke). Zum anderen soll der Hund sich von Anfang an daran gewöhnen, dass das Bringsel am Halsband baumelt- aber beim Suchen selbst keine Rolle spielt. Viele Hunde, die das nicht so gelernt haben, neigens anfangs dazu, das Bringsel sofort aufzunehmen, sobald es erreichbar am Halsband hängt... und die Zwei-Bringsel-Methode hat sich als Vorbeugung bestens bewährt. Man kann anfänglich ein ganz kleines Bringsel nehmen, damit sich der Hund nicht daran stört und es auch gar nicht aufnehmen KANN- und wenn er sich daran gewöhnt hat, nimmt man einfach ein etwas längeres. Das funktioniert recht gut.

LG, Nana

Ach so, noch eine Ergänzung: Ich würde den Hund das Bringsel NIE vom Boden/Eimer o.ä. apportieren lassen- das Bringsel steht bei uns IMMER in Verbindung mit dem Auffinden des Helfers. Apportieren an sich kann man mit anderen Gegenständen üben.

Und ja, Bringseln IST sehr aufwändig- aber sooooo toll, wenn´klappt :lovemetoo: !

Re: Bringsel

Verfasst: 5. Jul 2011, 21:37
von Naddel
Danke für deine ausführliche Antwort Nana. :)

Re: Bringsel

Verfasst: 10. Jul 2011, 01:48
von Wiesie
Ich habe immer Verbeller geführt, aber mir natürlich auch über andere Verweismethoden Gedanken gemacht. Mit den gängigen Ausbildungsmethoden der Bringsler war ich aber nie zufrieden. Ich hatte immer meinen eigenen Plan - ich bilde gern alles komplett Rückwärts aus und habe damit immer die besten Erfahrungen gemacht.
Dann wollte ich es wissen und es einfach mal ausprobieren. Dafür habe ich mir den Goldie meines Vaters ausgeliehen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es funktionieren würde, weil ja alle immer betonen, wie schwierig das ist, aber ich wollte mal üben. Deshalb auch der geliehene Hund - ich bin ja Ausbilder, versaue aber ja keinem Interessenten seinen Hund für meine Experimente und einen eigenen vierten Hund wollte ich nicht.

Meine Vorüberlegungen:
Das Rückführen soll an der Leine geschehen, weil es mir am Einfachsten für die Ausbildung erscheint und den Hund nicht dazu bringt, den Weg 100 mal laufen zu müssen.
Als Bringsel verwende ich das "norwegische Bringsel", welches viele Vorteile gegenüber dem normalen Bringsel hat. Das normale Bringsel ist ein länglicher Gegenstand, der mit einem Karabiner einfach an das Halsband gehakt wird. Es hat den Nachteil, dass es beim Laufen gegen den Hund schlägt, was viele Hunde nervt und dazu animiert, das Bringsel ohne Fund aufzunehmen. Außerdem muss der Hund das Bringsel aktiv festhalten, was widerum das bringen beim Hecheln erschwert.
Das norwegische Bringsel ist ein Halsband mit angebauten Bringsel, das zu beiden Halsseiten befestigt ist. Es wird so kurz geschnallt, dass der Hund es gerade noch aufnehmen kann. Es liegt dann aber sicher hinter den Fangzähnen und kann auch bei geöffnetem Fang nicht mehr aus dem Maul fallen. Der Hund muss es aktiv ausspucken.

Übrigens: Das Apportieren können ist bei meiner Ausbildungsmethode keine Voraussetzung für den Beginn des Bringsels.
Hier mein Ausbildungsweg kurz zusammengefasst, die Beschreibung ist dennoch lang. Ich hoffe, ich langweile Euch damit nicht.


Als erstes lernt der Hund, dass der Helfer den Ball hat und er mit ihm spielen darf.
Dann darf er erst auf "Zeig" zum Helfer laufen.
Anschließend lernt er, dass ich an der Leine mitlaufe, allerdings anfangs ohne ihn zu behindern (lange Leine und kurze Distanz!) und dann beginne ich daraus langsam das Führen zu formen, bis die Sache auch auf längere Distanz querfeldein super klappt.
Hier ein Foto vom Zurückführen -sorry, wenn ich mit Hunden arbeite, gucke ich immer so - leider kann ich das Foto nicht als Bild hier einstellen, deshalb müsst Ihr den Links folgen:
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Dann lernt der Hund in mehreren Einzelschritten, dass er ein "Reel" (Trainingsbringsel ohne Halsband) bei mir gegen Futter tauschen darf und später, dass er das Reel erst vom Helfer holen muss, wenn er es bei mir gegen Futter tauschen möchte.
Dabei legen wir das Reel NIEMALS auf den Helfer und wir benutzen auch keine wechselnden Positionen für das Reel!!
Der Hund lernt, dass das Reel immer rechts neben dem Helfer liegt. Denn der Hund soll nie in die Versuchung kommen, am oder um den Helfer herum zu suchen. Die Anzeige soll schnell gehen und wir wollen vermeiden, dass der Hund jemals in Versuchung kommt, den Helfer zu bedrängen.

Dann werden die Distanzen verlängert. Auch hier muss er noch nicht suchen, auch wenn die Distanzen später schon lang und die Übung im Wald ist. Hierfür lernt er das Kommando "Such und Hilf", was für ihn nur "Tausche das Reel" heißt. Aber um tauschen zu können, muss er eben erst zum Helfer hinlaufen, sonst hat er ja keines.

Auf diesem Bild seht Ihr Calle, der gerade ein Reel vom Helfer geholt hat und es mir bringt. Ihr seht auch, dass er das Bringselhalsband bereits trägt.
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Klappen beide Übungen zuverlässig in allen Situationen fehlerfrei, dann verlange ich ihm beide Übungen hintereinander ab:
"Such und Hilf": Er will das Reel bei mir gegen Futter tauschen und läuft daher zum Helfer, um das Reel zu holen und es mir zu bringen. Reelabgabe, Grundstellung, anleinen und dann "Zeig": Er will beim Helfer mit dem Ball spielen und führt mich deshalb zum Helfer.
Fertig ist die Anzeige.

Wenn auch die komplette Anzeige fehlerfrei, auf lange Distanz und auch in unwegsamen Gelände klappt, dann bringen wir dem Hund in Kurzanzeigen bei, das Halsband zu nehmen. Es wird dafür ganz lang geschnallt und fällt dem Hund direkt vor die Schnauze, wenn er - wie er es immer macht - am Boden an der Rechten Seite des Helfers das Reel aufnehmen möchte, das aber nun nicht mehr dort ist. Dafür findet er dann dort das Bringsel (evtl. muss man hier eine kurze Zwischenhilfe geben, aber nur ganz kurz).
In Ermangelung des Reels bringt er das Bringsel und lernt, dass das auch geht.

Wenn das klappt, dann wird das Halsband schrittweise wieder kürzer gestellt, bis der Hund gerade eben etwas Mühe hat, das Halsband noch aufzunehmen. Er wird Übung bekommen und es leicht schaffen, aber er soll das Halsband ja nachher nicht deshalb aufnehmen, weil es ihm z. B. beim Laufen stört, also möglichst kurz sein.

Wenn der Hund das kann, dann wird wieder oft mit den Reels gearbeitet. Bjarne, der Erfinder des norwegischen Bringsels, schnallt den Hunden dann das Bringsel wieder hoch. Ich mache das nicht, denn dann kann der Hund noch immer anzeigen, wenn mit dem Reel etwas schief geht. Hat sich bewährt.
Der Hund arbeitet auch später immer öfter mit dem Reel als mit dem Halsband und soll wissen, dass es seine Aufgabe ist, das Reel zu bringen, er aber das Halsband nehmen darf, wenn mal kein Reel dort ist.
Das hat den Vorteil, dass der Hund nicht auf die Idee kommen wird, die Anzeige abzukürzen, indem er immer früher das Bringsel aufnimmt, obwohl er noch nicht ganz beim Helfer war, denn er muss ja dorthin gehen um zu sehen, ob ein Reel vorhanden ist.

Komplett und fertig, sieht das dann so aus:

Calle sucht, man sieht das Halsband lose hängen:
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Dann bringt er mir das Bringsel am Halsband:
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Und dann kommt das Rückführen mit dem ersten Foto dieses Beitrags. Inzwischen bin ich übrigens auf eine drei Meter lange Lederleine umgestiegen.

Da ich dem Hund das Rückführen und das Anzeigen getrennt voneinander beibringe und dann einfach die Kommandos hintereinander gebe, kann ich auch jederzeit nur eine dieser Übungen verlangen und also nur Bringen oder nur Rückführen üben, ohne den Hund zu verwirren.
Ich kann auch das Rückführen zwischendurch unterbrechen. Z. B. wenn der Hund unter einem Baumstamm durchgeht, den ich lieber überkletten möchte oder wenn sich die Leine verheddert hat. "Sitz!", Leine entwirren, "Zeig!" Und weiter geht´s ohne Probleme.
Da der Hund immer glaubt, die Reels bringen zu müssen, kommt er nie auf die Idee, die Anzeige abzukürzen. Und da er normalerweise die Reels bringt, kann ich auch ohne Funkgerät sehen, ob er eine Fehlanzeige macht oder nicht. Bringsler nehmen ja gerne mal das Halsband auf, ohne jemanden gefunden zu haben, weil sie sich die Zwischenbestätigung holen wollen. Das hat Calle, und die anderen Bringsler die wir inzwischen haben, noch nie gemacht.

Und zum Thema kompliziert, aufwändig und total schwierig:
Der beschriebene Aufbau war zwar lang, aber insgesamt sehr kurz gehalten, weil ich alle Zwischenschritte weggelassen habe. Hält man sich an diesen Aufbau und lässt sich genug Zeit für die kleinsten Zwischenschritte und deren Festigung, dann versteht der Hund wirklich, was er soll. Und zwar ohne Helferhilfen, wenn man vom Anreizen am allerersten Ausbildungstag und von der eventuell notwendigen Hilfe bei den ersten Halsbandbringsel-Aufnahmen absieht.

Calle war drei Jahre alt, als ich die Ausbildung begonnen habe. Und nach GENAU zwei Jahren Ausbildungszeit hat er vor Kurzem die Rettungshundeprüfung souverän bestanden.

Re: Bringsel

Verfasst: 10. Jul 2011, 12:57
von Naddel
:thumbsup:

Sehr interessant und keineswegs zu lang....